12.06.24
Der DenkMahl Espresso-Guide: Mythen, Fakten und Wissenswertes
Espresso – das klingt nach Italien, nach Lebensfreude und nach Genuss, der sich Zeit nimmt. Auch bei der Zubereitung von zahlreichen Kaffee-Trendgetränken spielt Espresso fast immer eine tragende Rolle. Doch rund um „das kleine Schwarze“ aus der Tasse ranken sich viele Mythen und Behauptungen, die nicht immer der Wahrheit entsprechen. Zeit also, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen und die häufigsten Missverständnisse aufzuklären.
Mythos Nr. 1: Espresso hat mehr Koffein als Filterkaffee
Einer der oft gehörten Mythen rund um Espresso ist die Annahme, dass eine Tasse Espresso mehr Koffein enthält als eine Tasse „normaler“ Filterkaffee. Es klingt schließlich auch ganz logisch: Espresso ist klein, stark und intensiv – also muss er doch mehr Koffein haben, oder? Tatsächlich steckt jedoch in einem einzelnen Espresso-Shot weniger Koffein als in einer durchschnittlichen Tasse Filterkaffee. Während ein klassischer Espresso (ca. 30 ml) im Durchschnitt 60-80 mg Koffein enthält, kann eine Tasse Filterkaffee (ca. 240 ml) bis zu 120-150 mg Koffein enthalten. Der Grund dafür liegt in der Zubereitung: Der Espresso wird unter hohem Druck und in kurzer Zeit zubereitet. Das Wasser kommt nur kurz mit dem Kaffeepulver in Kontakt, wodurch insgesamt weniger Koffein extrahiert wird. Filterkaffee hingegen zieht länger durch, sodass mehr Koffein aus dem Kaffeemehl gelöst wird. Der intensive Geschmack des Espressos kommt durch die konzentrierte Zubereitung und die kleinere Menge zustande, aber was das Koffein betrifft, ist der Filterkaffee der wahre „Wachmacher“.
Mythos Nr. 2: Espresso besteht aus speziellen Kaffeebohnen
Nur die besten Espressobohnen sind gut genug für deinen Espresso? Dieser Mythos hält sich hartnäckig, aber er ist schlichtweg falsch. „Espresso“ ist keine besondere Kaffeeart, sondern eine Form der Zubereitung. Tatsächlich bestehen Espresso-Mischungen aus den gleichen Sorten, vorwiegend Arabica und Robusta, die auch für Filterkaffee zum Einsatz kommen. Dabei ist der Robusta-Anteil traditionell etwas höher, um die charakteristisch kräftigen Aromen zu erzeugen. Auch die Crema wird dichter, wenn mehr Robusta-Bohnen in der Röstmischung enthalten sind.
Was häufig in Beschreibungen als "Espressobohnen" daherkommt, sind in Wirklichkeit einfach dunkler geröstete Arabica- und Robusta-Bohnen, die sich besonders gut für die Espressozubereitung eignen. Denn dunkle Röstungen entwickeln weniger Säure, haben dafür aber intensivere Aromen, wie sie für den Espresso-Geschmack essenziell sind. Ebenfalls wichtig: Für Espresso wird der Kaffee deutlich feiner gemahlen, sodass beim Brühprozess der Druck optimal genutzt werden kann, um die gewünschten Aromen zu extrahieren.
Mythos Nr. 3: Ein guter Espresso muss bitter sein
„Espresso ist nichts für mich, der ist mir zu bitter.“ Vielleicht hast du das auch schon mal gehört - oder bist sogar selbst davon überzeugt. Bitterer Geschmack wird tatsächlich oft mit einem intensiven Espresso-Erlebnis assoziiert. Aber auch die Behauptung, Espresso müsse eben bitter sein, ist ein Trugschluss. Ein gut zubereiteter Espresso zeichnet sich durch ein ausgewogenes Geschmacksprofil aus, das neben leichten Bittertönen auch süßliche und manchmal sogar fruchtige Noten enthält. Ein perfekt zubereiteter Espresso sollte zwar kraftvoll und aromatisch sein, aber keineswegs bitter. Bitterkeit entsteht oft durch Fehler bei der Zubereitung, wie etwa eine zu lange Extraktionszeit, zu heißes Wasser oder einen zu feinen Mahlgrad der Kaffeebohnen.
Mythos Nr. 4: Echter Espresso muss aus Italien kommen
Zugegeben, wenn es um Espresso geht, denkt man unweigerlich an Italien. Und tatsächlich hat die Espressokultur, die wir heute weltweit schätzen und lieben, dort ihre Wurzeln. Allerdings geht aber der Ursprung der Idee, Kaffee unter hohem Druck zuzubereiten, nicht auf einen Italiener, sondern auf den Franzosen Louis Bernard Rabaut zurück, der 1822 eine frühe Version der Espressomaschine entwickelte. Zwei Italiener, genauer gesagt Angelo Moriondo und später Luigi Bezzera, haben die neue Technologie anschließend weiterentwickelt und dem Espresso, wie wir ihn heute kennen, spätestens um 1920 zur Perfektion verholfen. Auch wenn Italien weiterhin als Mutterland der Espressokultur gilt, so haben sich doch gerade in den letzten Jahren auch in vielen anderen Ländern, insbesondere in Deutschland, Österreich, den USA und in Skandinavien eigene, oft sehr qualitätsbewusste Espressostile entwickelt. Es lohnt sich also durchaus, einen Blick über den italienischen Tassenrand hinaus zu werfen.
Wichtig ist die richtige Zubereitung: Heißes, aber nicht kochendes Wasser, durch das unter gleichmäßigem Druck von ungefähr 9 bar das fein gemahlene Kaffeepulver gepresst wird. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind und hochwertige Bohnen zum Einsatz kommen, steht einem erstklassigen Espresso nichts im Weg – egal ob in Rom, Berlin, Melbourne oder Kopenhagen.
Mythos Nr. 5: Espresso ist nur als Shot „richtig“
Klar, der klassische Espresso wird pur serviert - und das ist auch gut so, denn so lassen sich seine vielschichtigen Aromen am intensivsten herausschmecken. Aber es gibt keinen Grund, warum man ihn nicht auch als Basis für andere Getränke verwenden kann. Latte Macchiato, Cappuccino oder Flat White – sie alle beginnen mit einem einfachen Espresso. Es ist also vollkommen okay, wenn du deinen Espresso am liebsten mit Milch – oder auch pflanzlichen Alternativen aus Hafer, Dinkel oder Soja – kombiniert trinkst. Der Espresso verliert dadurch nichts von seiner Wertigkeit, sondern öffnet vielmehr die Tür zu einer Vielzahl köstlicher Kaffee-Geschmacksvarianten. Und seien wir ehrlich: Ein perfekt geschäumter Cappuccino oder Latte Macchiato ist doch auch etwas Feines!
Mythos Nr. 6: Je dunkler die Röstung, umso besser der Espresso
Die Annahme, dass eine dunkle Röstung automatisch zu einem besseren Espresso führt, ist weit verbreitet, aber irreführend. Dunklere Röstungen tendieren dazu, intensivere und kräftigere Aromen zu entfalten, was dem Espresso tendenziell gut zu Gesicht steht, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie auch „besser“ sind. Es kommt vielmehr auf den individuellen Geschmack an und darauf, wie der Kaffee insgesamt geröstet und zubereitet wurde. Leichtere Röstungen können ebenfalls hervorragende Espressi ergeben, insbesondere wenn du fruchtige oder blumige Aromen bevorzugst. Hier lohnt es sich, mit verschiedenen Röstgraden zu experimentieren, um so die perfekte Bohne für den individuellen Geschmack zu finden.